
3D-Rendering des Knaufzylinders im Normgehäuse und integrierter Prototyp-Hardware (Bildquelle: Robert Manthey)

Prototypen-Hardware im eigens gefertigten transparenten Knaufzylinder (Bildquelle: Richard Vogel)

Demonstrationsaufbau des Knaufzylinders mit zusätzlicher Schließmechanik in normiertem Gehäuse (Bildquelle: Richard Vogel)

Demonstrationsaufbau des Knaufzylinders mit zusätzlicher Schließmechanik in normiertem Gehäuse (Bildquelle: Richard Vogel)

Screenshots der Entwicklungsversion der mobilen Chainlock-App (Bildquelle: Robert Manthey)
Unternehmen, Hochschulen, Kliniken, auch mehr und mehr Privathaushalte, nutzen Schließsysteme, um physische Zutritte zu verwalten, sicherer oder „smarter“ zu machen. Das sind nicht mehr einfache Schlösser, zu denen nur die richtigen Schlüssel passen, sondern aufwendige Lösungen ohne mechanische Schlüssel, die unterschiedlichen Nutzenden zu unterschiedlichen Zeiten Zugang ermöglichen.
Unabhängig davon, ob solche elektronischen Schließsysteme bereits bei der Planung berücksichtigt, oder teils mit erheblichem Aufwand für Stromversorgung und Netzanbindung nachgerüstet werden, verbindet sie bisher immer eine gravierende Schwachstelle, die zum Risiko werden kann: Jedes Smart-Lock ist unmittelbar oder mittelbar online mit einem Webdienst des jeweiligen Herstellers gekoppelt. Fällt der Dienst oder auch der gesamte Hersteller aus, sind die Systeme kaum noch operativ einsetzbar und müssen komplett getauscht werden. Die Abhängigkeit von einem Hersteller und das notwendige Vertrauenslevel für derart sensible Daten sind in (geo-)politisch unsicheren Zeiten zusätzlich kritisch zu sehen.
Hier ist Chainlock der Schlüssel zu mehr Unabhängigkeit und Sicherheit. Im BMBF-geförderten Projekt „Chainlock – Blockchain-gestützte, smarte Schließanlagen“ haben Wissenschaftler am BCCM der HSMW in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit den Spezialist von ABUS im sächsischen Pfaffenhain ein Schließsystem entwickelt, das bei Bedarf auch vollkommen unabhängig von herstellerspezifischen Cloudanbietern sicher funktioniert. Blockchain-Technologien machen dabei mehrere innovative Features zur Prüfung von Authentizität und Integrität von Berechtigungen bzw. Zugängen möglich.
Viel mehr als ein klassisches Forschungsergebnis
Jetzt haben die Partner einen funktionsfähigen Hardwareprototyp vorgestellt, der vollständig in ein branchenübliches Normgehäuse integriert wurde. Es ist ein smarter, energieeffizienter Schließzylinder, der industriellen Anforderungen gerecht wird und das Potenzial für den Serieneinsatz besitzt – mit allen wesentlichen Funktionen eines modernen Schließsystems inkl. Schließmechanik, Softwareanbindung sowie der Verwaltung von Nutzer- und Schließberechtigungen. Die Software und eine MobilApp für Apple und Android sind am CSMRT der HSMW entwickelt worden. Sie nutzen die Ethereum Classic Blockchain.
„Der erreichte Entwicklungsstand geht dabei weit über die klassischen Forschungsergebnisse innerhalb eines solchen Projektes hinaus“, freut sich Professor Matthias Vodel, Leiter des Projekts an der HSMW. „Durch die enge Zusammenarbeit mit unserem Industriepartner ABUS konnten wir auf dessen jahrzehntelange Erfahrung in mechanischen Systemen zurückgreifen – und gleichzeitig die Nähe zu einem Innovationsmotor nutzen, der kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investiert.“
Jeder Millimeter hat gezählt
Eine besondere Herausforderung war die kompakte Bauweise der Schlösser. Während handelsübliche Smart-Lock-Systeme aufgrund ihrer voluminösen Bauweise in ihren Einsatzgebieten limitiert sind, ermöglicht die im Chainlock-Projekt entwickelte Lösung durch ihre kompakte Bauweise vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Um das zu realisieren, musste beim Bau des Prototyps nahezu jeder Kubikmillimeter im Schließzylinder ausgenutzt werden, um die Integration von Energieversorgung, Steuerungselektronik, Speicher und Mechatronik zu gewährleisten. „Die größte Herausforderung bei derartigen Projekten ist und bleibt die Miniaturisierung“, erinnert sich Sebastian Müller, Leiter Forschung & Entwicklung bei Abus Pfaffenhain, der das Innenleben des Prototyps mitentwickelt hat. „Jeder Millimeter hat gezählt.“ So wurde zum Beispiel die Platine auf zwei übereinander positionierte Ebenen geteilt.
Die Blockchain macht unabhängig
Durch ihre dezentrale Struktur und globale Verteilung bietet die Blockchain-Technologie eine unabhängige Sicherheitsinfrastruktur, die vor Manipulationen und Ausfällen schützt – ganz ohne zentrale Instanz oder einzelne Verantwortliche. Chainlock setzt auf dieselben bewährten Sicherheitsmechanismen, wie sie auch bei etablierten Kryptowährungen wie Ethereum oder Bitcoin zum Einsatz kommen. Damit schafft Chainlock eine verlässliche technologische Grundlage und überträgt die Vorteile der Blockchain auf praktische Alltagsanwendungen.
Die App synchronisiert die Schließkonfiguration inklusive aller Berechtigungen und Regeln in einem unabhängigen, frei wählbaren Cloud-Speicher. Gleichzeitig wird die Integrität der Daten über die Blockchain sichergestellt. Wurden Berechtigungen erfolgreich in der App geprüft, kann diese bei Bedarf als verschlüsseltes Update über ein speziell entwickeltes Bluetooth-Funkprotokoll direkt an das jeweilige Schloss übertragen werden – immer genau dann, wenn ein Nutzer sich in der Nähe der Tür befindet. Die Aktualisierungs-Übertragungen von App zum Schloss benötigen nur wenige Sekunden und auch keine aktive Internetverbindung, wodurch das System komplett offline-fähig ist – d.h. die Schließzylinder benötigen selbst keine energieintensive Netzwerkanbindung. Bei jeder Interaktion zwischen Schloss und App werden alle relevanten Aktualisierungsinformationen direkt mit übertragen. Und auch das Smartphone selbst darf eine gewisse Zeit offline als gültiger Schlüssel im System agieren. Erst nach Ablauf einer vordefinierbaren Zeit ist ein erneuter Online-Abgleich der Berechtigungen auf dem Smartphone erforderlich
Vielfältige neue Anwendungsszenarien
Dank der energieeffizienten Hardwareplattform ist auf Seiten der Bauplanung für Chainlock-Schließzylinder keine externe Stromversorgung erforderlich. Ein Tausch bestehender klassischer Türschlösser ist binnen weniger Minuten möglich. Nicht nur als sicherer Alternative zu am Markt vorhandenen Schließsysteme ist Chainlock erste Wahl. Die Kombination aus kompakter Hardware und innovativer Software ermöglicht viele neue Anwendungsszenarien, zum Beispiel bei der Vermietung von Ferienhäusern. Während durch den Vermieter bisher eine Schlüsselübergabe organisiert und die Zahlung sowie Rückzahlung von Kautionen manuell veranlasst werden musste, lässt sich dies mit der Chainlock-Technologie automatisieren. So können Vermieter von Ferienhäusern nicht nur Zutrittsberechtigungen live via App vergeben oder entziehen, sie können die Freigabe auch an die Zahlung einer Kaution koppeln und diese beim Entzug der Freigabe automatisiert zurückzahlen lassen. Die Blockchain macht die Verwaltung nicht nur sicher, sondern auch herstellerunabhängig.
Hierfür wurde eine innovative App erstellt, mit der sich sowohl administrative Funktionen – etwa die Verwaltung individueller Schließregeln, Räume und Nutzer – als auch Endnutzerfunktionen wie das Erstellen digitaler Schlüsselrohlinge und das tatsächliche Schließen realisieren lassen. Die App synchronisiert dabei die gesamte Konfiguration aller Berechtigungen und Regeln in einen unabhängigen Cloud-Speicher, den der Verwalter selbst wählen kann. Hierzu zählen frei verfügbare Optionen wie Google Drive, Dropbox oder iCloud. Die Blockchain dient als transparenter und manipulationssicherer Anker für den digitalen, kryptographischen Fingerabdruck der Konfiguration.
Weiterführende Informationen zum Labor und den kooperativen Ausbildungsprojekten erteilt Prof. Dr. Matthias Vodel, Tel. +49 3727 58-1010, E-Mail: vodel@hs-mittweida.de
Den originalen News-Beitrag finden Sie hier