Das Living Lab „Motion Simulation & Softwareentwicklung“ der Hochschule Mittweida ist Teil der Fakultät „Angewandte Computer- & Biowissenschaften“ und dient hier sowohl als Ausbildung- & Forschungslabor aber auch als Showroom im Bereich Hochschulöffentlichkeitsarbeit. Die Arbeit im Living Lab konzentriert  sich auf den Forschungsschwerpunkt Immersive Experience, welcher die Medieninformatik seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Projekten prägt.

Die Hochschule Mittweida fokussiert eine praxisnahe Ausbildung aller Studierenden. Ein starkes Netzwerk von Partnern aus Industrie & Wirtschaft unterstützt und optimiert hierbei die Ausbildungspfade und gibt interessante Impulse für neue, innovative Lehrkonzepte. Der Aufbau und die Arbeit im Living Lab „Motion Simulation & Softwareentwicklung“ spiegelt sich in solchen innovativen Impulsen wieder.

Studierende können hier Ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Ingenieursdisziplinen vertiefen, oder auch kreative Inhalte für die virtuellen Welten erschaffen. Im Rahmen unterschiedlicher Kooperationsprojekte finden Studierende interessante Arbeitgeber und Ideen für Abschlussarbeiten.

Die Kombination aus mechatronischen Technologieträgern als Lehr- & Forschungsplattformen sowie die softwareseitigen Herausforderungen bei der Systemintegration bieten hier hervorragende Möglichkeiten zum Erlernen und Vertiefen interdisziplinärer Wissensfelder. Daraus resultiert eine ideale Vorbereitung der Studierenden für ihr zukünftiges Arbeitsleben.

Das Living Lab entwickelt und evaluiert unterschiedliche Motion-Konzepte hinsichtlich geeigneter Anwendungsbereiche, Rahmenbedingungen und Komplexität. Hierzu wurden in den vergangenen Jahren mehrere Technologieträger konzipiert und implementiert. Je nach Aufbau und Geometrie sind hiermit verschiedene Freiheitsgrade in der Bewegung möglich. Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht alle 6 möglichen Freiheitgrade (= DOF – Dimension of Freedom) im Bereich der Motion-Simulatoren.

Für dedizierte Effekte kommen außerdem separate Aktuatoren zum Einsatz. Somit werden Überlagerungen und gegenseitige Beeinflussungen von Motion-Effekten, welche sonst kombiniert auf den gleichen Aktuatoren abzubilden sind, ganzheitlich vermieden. Bsp. für derartige, dedizierte Aktuatoren sind aktive Gurtstraffermodule, Traction Loss Module oder auch separat umgesetzte Verfahrschlitten für Surge-Effekte.

Die nun vorhandenen Simulator-Plattformen verwenden jeweils angepasste Aktuatoren, Peripheriekomponenten und Software-Tools. Für die visuelle Ausgabe sind alle Systeme sowohl klassisch mittels Multi-Monitor-Anzeige nutzbar, als auch mittels VR-Headset. Letztere bieten deutlich mehr Möglichkeiten, den Immersionsgrad der virtuellen Umgebung für die Probanden zu erhöhen. Gleichzeitig besteht bei VR-Nutzung je nach Simulationsszenario und individueller Eignung der Probanden eine erhöhte Gefahr einer Kinetose ( = Bewegungskrankheit / Motion Sickness), welche zu Übelkeit und Schwindel führen kann. Besonders bei der Erprobung neuer Motion Effekte und der Integration mehrere Effekte & Feedbackquellen kann es hier zu Einschränkungen kommen, weshalb klassische Monitor-Setups weiterhin als Alternativlösung genutzt werden.

Die aktuell im Living Lab verfügbaren Technologieträger sollen nachfolgend kurz vorgestellt werden.

  • 6 Freiheitsgrade (6DOF – Dimension of Freedom):
    • Rotation um die Roll- & Pitch- & Yaw-Achse
    • Zusätzlich Translation auf X- / Y- / Z-Achse
  • Prinzip „Hybrid Platform Mover“:
    • beweglicher Aufbau inkl. Pedalerie
    • Lenksystem weiterhin statisch
  • Effekte:
    • Beschleunigung / Verzögerung
      → Abbildung direkt via Translation auf der X-Achse sowie Rotation um die Pitch-Achse
    • Lenk Impulse links/rechts
      → Abbildung direkt via Translation auf der Y-Achse
    • Bodenwellen
      → Abbildung direkt via Translation auf der Z-Achse
    • Fahrzeug Neigungen / Umgebung
      → Abbildung direkt via Rotation um die Roll-/ Pitch-Achse
    • Traktionsverlust an der Hinter- & Vorderachse
      → Abbildung indirekt via Translation auf der X- & Y-Achse sowie direkt via Rotation um die Yaw-Achse
    • Gurtstraffung
      → Abbildung indirekt via Translation auf der Y-Achse
  • Anwendungsfokus:
    • Stark dynamische Automotive Szenarien (Rally, RallyCross)
    • Adaption auf Aviation Szenarien (siehe dazu Punkt „6-Achsen-Flugsimulator & G-Seat“)
  • 4 Freiheitsgrade (4DOF – Dimension of Freedom):
    • Rotation um die Roll- & Pitch-Achse
    • Rotation um die Yaw-Achse mittels Zusatz Aktuator (auf Sitz- oder Plattform-Ebene)
    • Translation auf der Z-Achse
    • Prinzip „Platform Mover“ → komplett beweglicher Aufbau
  • Effekte:
    • Vehicle Neigungen / Umgebung
      → Abbildung direkt via Rotation um die Roll- / Pitch-Achse
    • Bodenwellen
      → Abbildung direkt via Translation auf der Z-Achse
    • Beschleunigung / Verzögerung
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Pitch-Achse
    • Lenk Impulse links/rechts
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Roll-Achse
    • Traktionsverlust an der Hinter- & Vorderachse
      → direkt über Zusatz-Aktuator
    • Gurtstraffung
      → direkt über Zusatz-Aktuator
  • Anwendungsfokus:
    • Professionelle Fahreranalyse (Physical & mental Fitness, Telemetriedatenanalyse)
    • Fahrsicherheitsszenarien
    • HSMW eSports Pro-Plattform für Motorsport-Simulationen
  • Gleiches Funktionsprinzip zur 4-Achsen-Simulationsplattform als Platform-Mover:
    • Auslegung als Doppelsitz-Plattform für Fahrer und Beifahrer
    • verstärkte Aktuatoren zur Steigerung der Traglast bei gleichbleibenden Beschleunigungswerten für die Effekte
    • verlängerter Verfahrweg für die primären Aktuatoren von 100mm auf 200mm als Ausgleich für die breitere Basisplattform und den damit verbundenen Anforderungen an größere Verfahrwege bei gleicher Effektintensität
    • Dual-Auslegung für VR- & Triple-Screen-Betrieb
    • synchrone Ansteuerung jeweils zwei unabhängiger Zusatzaktuatoren für die Gurtstraffer- und die Traction Loss-Module
  • Anwendungsfokus:
    • Aktives Fahrer-Coaching (Rallye Co-Piloten, Individual-Schulungen)
    • Fahrsicherheitsszenarien
    • Erprobung von Fahrerassistenz- & Pre-Safety-Features
  • 3 Freiheitsgrade (3DOF – Dimension of Freedom):
    • Rotation um die Roll- & Pitch-Achse
    • Rotation um die Yaw-Achse mittels Zusatzaktuator (Traction Loss)
  • Prinzip „Seat Mover“:
    • Peripherie statisch
    • Bewegung des Pilotensitzes (Roll & Pitch)
    • zusätzlich komplette Plattformbewegung (Yaw)
  • Effekte:
    • Beschleunigung / Verzögerung
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Pitch-Achse
    • Lenkimpulse links/rechts
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Roll-Achse
    • Traktionsverlust an der Hinterachse
      → Abbildung direkt via Rotation um die Yaw-Achse
  • Anwendungsfokus:
    • Einführung in die Domäne Motion Simulation
    • öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, Einsteiger-Level
  • 6 Freiheitsgrade (6DOF – Dimension of Freedom)
  • Aufbau mechanisch analog zum Automotive Hexapod (siehe oben)
  • zertifizierte Steuerungsperipherie für Aviation Simulationen
  • zusätzlicher Einsatz eine G-Seats zur Darstellung dauerhafter G-Kräfte:
    • Aktuatoren im linken und rechten Rückenbereich
    • Aktuatoren in der linken und rechten Oberschenkelauflage
  • Zusätzliche Effekte über den G-Seat abbildbar:
    • Kontinuierlicher Druckaufbau Seitenführungskräfte / lateral
      (jeweils linker bzw. rechter Bein- & Rückenbereich)
    • Kontinuierlicher Druckaufbau vertikal  (linker & rechter Beinbereich)
    • Kontinuierlicher Druckaufbau in Fahrtrichtung
      (linker & rechter Rückenbereichbereich)
  • angepasste Motion-Profile für die Aktuatoren
  • angepasste Schnittstellen für Flugsimulationen
  • Anwendungsfokus:
    • Aviation Simulationen
  • 3 Freiheitsgrade (3DOF – Dimension of Freedom):
    • Rotation um die Roll- & Pitch-Achse
    • Translation auf der Z-Achse
    • Prinzip „Platform Mover“ → komplett beweglicher Aufbau
  • Effekte:
    • Fahrzeug Neigungen / Umgebung
      → Abbildung direkt via Rotation um die Roll- / Pitch-Achse
    • Bodenwellen
      → Abbildung direkt via Translation auf der Z-Achse
    • Beschleunigung / Verzögerung
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Pitch-Achse
    • Lenk Impulse links/rechts
      → Abbildung indirekt via Rotation um die Roll-Achse
  • Anwendungsfokus:
    • Experimental-Plattform für 1:1 Simulator-Umsetzungen
    • Professionelle Fahreranalyse (Physical & mental Fitness, Telemetriedatenanalyse)
    • Hardware-in-the-Loop-Anwendungen
    • Test und Analyse von Fahrwerkseinstellungen
  • 3-DOF Miniatur-Motion-Plattfom
  • mobile Entwicklungsplattform
  • Schnittstellenentwicklungen Motion Controller und Telemetriedatenanalyse
  • Anwendungsfokus:
    • Software / Firmware Early Stage Testing
    • Hardware-Erprobungen
    • Öffentlichkeitsarbeit
  • Q4/2018: Projektstart Living Lab „Motion Simulation & Softwareentwicklung“
    • Konzept & Umsetzung eines 3DOF Technologieträgers als gemeinsame Ausbildungsplattform
    • Ziele:
      • Schaufensterprojekt: Integration mehrerer Ausbildungsschwerpunkte der HS Mittweida: Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Medien
      • MINT Demonstrator im Bereich Hochschulöffentlichkeitsarbeit
      • Datenquelle für die Telemetriedatenakquise im Rahmen mehrerer Lehrveranstaltungen
  • Q2/2019: Start Ausbaustufe 1 „Evaluierung Motion Konzepte“
    • Konzept & Umsetzung einer Hexapod Konstruktion als 6DOF Technologieträger
    • Integration von Traction Loss Konzepten zur Darstellung von Gripverlust an der Hinterachse
    • Integration von VR-Headsets mit externen & internen Tracking Systemen
    • Ziele:
      • Erweiterung der Ausbildungsplattformen für die Schwerpunkte:
        Datenanalyse, Hardware- / Software Codesign, Interaktives Entertainment
      • Vergleichsstudie bzgl. Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Detailgrad für Motion Simulatoren
      • Aufbau von Know-How im Bereich Hexapod-Plattformen & Aktuator-Ansteuerung
  • Q4/2019: Start Ausbaustufe 2 „Technologieexploration Motion Aktuatoren“
    • Konzept & Umsetzung einer 4DOF Plaform Mover Konstruktion
    • Integration von zusätzlicher Peripherie-Komponenten für die Gurtstraffung
    • Integration Windsimulation mit adaptiven Kurveneffekten
    • Ziele:
      • Optimierung der Motion Effekte hinsichtlich Latenz & Präzision
      • Evaluierung neuer Antriebe und Motion-Geometrien
      • Untersuchungen bzgl. der Auswirkungen von Motion-Effekt-Überlagerungen
      • Etablierung Forschungsschwerpunkt: Immersive Experience
      • Studien zur Telemetriedatenauswertung
      • Bereitstellung der HSMW eSports Hardwareplattform im Bereich Motorsportsimulation
  • Q3/2020: Start Ausbaustufe 3 „Automotive & Aviation Simulation Plattform“
    • Konzept & Umsetzung einer dedizierten Flugsimulationsplattform mittels 6DOF Hexapod
    • Integration von G-Seat Konzepten für aktive Sitzansteuerung Synchronisation / Motion Profile
    • Experimentalsetup Air-G System als pneumatisch taktiles Feedbacksystem
    • Ziele:
      • Generierung fahrzeugspezifischer Motion Profilen unter Verwendung maschineller Lernverfahren
      • Generierung von Fahrerprofilen basierend auf Telemetriedaten unter Verwendung maschineller Lernverfahren
      • Teilautomatisierte Fahrdatenanalyse zur Erkennung individueller Fahrfehler und Schwächen
      • Strukturierte Anforderungsanalyse für Automotive & Aviation Motion Simulator Plattformen
      • Physische & psychische Belastungsmessungen der Piloten auf Basis zusätzlicher Messsensorik
  • 2021: Ausbaustufe 4 „Realweltabgleich & Pre-Safety-Assist Features“
    • Erprobung mittels direktem Datenabgleich realer Fahrzeugmessdaten mit virtuellen Datensätzen
    • Adaptive Anpassung von Reifen- / Aerodynamik- / Physik-Modellen der Simulationsplattform auf Basis der Messdatenanalyse
    • Prädiktion von Unfallsituationen (proaktiv) auf Basis der vorhandenen Wissensbasis und aktuellen Telemetriedaten (Pre-Safety Features)
  • 2022: Ausbaustufe 5: „Telemetriedatenabgleich realer Fahrsicherheitssysteme & eSports“
    • Erweiterung Technikbestand speziell für eSports Anwendungen
    • Einbindung Simulator-Telemetriedaten Haus 44 (eSports-Labor) in gemeinsamen Datenkorpus
    • Bereitstellung mobiler Technologieträger für Messen und externe Events
    • Konzeption von Prozessketten zum Datenabgleich realer Fahrzeug-Telemetriedaten mit den virtuellen Fahrzeug- und Simulatormodellen
  • Q4/2022: Umzug Living Lab
    • neuer Standort: Haus 6, Raum 6-001
    • größeren Flächen
    • ebenerdiger Zugang
    • Optimierung der Datenanbindung sowie der Stromversorgung
    • Minimierung von Störfaktoren durch den Betrieb der Plattformen auf die umgebenden Räumlichkeiten
  • 2023: Ausbaustufe 6: „Large-Scale Simulation & automatisierte Telemetriedatenanalyse“
    • Verstärkter Fokus auf reale Messreihen und Messszenarien zur Optimierung der Fahrzeugmodelle
    • Evaluierung Methoden zur teilautomatisierten Telemetriedatenanalyse
    • Evaluierung Methoden zur teilautomatisierten Fahreranalyse
    • Regelmäßige Benefizturniere zur Außenwerbung für die Hochschule Mittweida und dem CSMRT-Institut
  • Q2-Q4/2023: Large-Scale Simulator-Plattform KTM
    • Kooperation mit KTM als erster OEM (Original Equipment Manufacturer)
    • Bereitstellung und Umbau eines KTM XBow GT2 Carbon Monocoque Chassis als Simulatorplattform
    • Telemetriedatenabgleich für KTM XBow in realen und virtuellen Testszenarien
  • geplant 2024: Planung Ausbaustufe 7: „Profiling & KI-gestützte Optimierung“
    • Nutzung der Laborumgebung für mehrere geförderte Forschungs- und Industrieprojekte
    • Systemintegration Simulator-Verbundnetzwerk
    • Modulare Simulator-Plattformentwicklung